Von der Geburtshilfe zu Psychiatrie und Neurologie

Bis Anfang der 1990er Jahre erblickte ein Großteil der Wittenbergerinnen und Wittenberger das Licht der Welt in der Bosse-Klinik. Das änderte sich, als 1996 die Kliniken für Psychiatrie und Neurologie einzogen.

Der Chirurg, Geburtshelfer und Gynäkologe Dr. Paul Bosse eröffnete während der Zeit des Nationalsozialismus 1936 nach Um- und Ausbauten in seinem Wohnhaus in der Wittenberger Heubnerstraße eine geburtshilfliche Klinik. Da seine Frau Käthe jüdischer Abstammung war, hatte er zuvor seine Stellung als Chefarzt in der Paul-Gerhardt-Stiftung verloren.
Käthe Bosse starb am 16. Dezember 1944 im Konzentrationslager Ravensbrück.

Geburtshilfe in schwierigen Zeiten

Für seine neue Klinik, die „Bosse Klinik“, fand Paul Bosse Unterstützung bei den Schönstätter Marienschwestern, die fortan die Patientinnen der Klinik und ihre Neugeborenen pflegten.

Dr. Paul Bosse verstarb im März 1947. Bereits Ende 1946 hatte er Dr. Kurt Jonas für die Leitung der Klinik gewinnen können. Dieser war der zu dieser Zeit einzige niedergelassene Frauenarzt in Wittenberg.

1949 übernahm der katholische Caritasverband Magdeburg die Trägerschaft der Klinik.

1.900 Babys

wurden zu DDR-Zeiten jährlich in der Bosse-Klinik geboren.

Dr. Jonas war bis 1973 Chefarzt der Klinik. Ab 1970 trat Dr. Erhard Sauer der Klinikleitung bei. Nachdem Dr. Jonas aus dem Beruf ausgeschieden war, wurde Dr. Sauer Chefarzt. Er leitete die Klinik bis zur Umprofilierung 1996. Seine Ehefrau Angelika Sauer übernahm als Kinderärztin die Kinderabteilung. Anfang der 1970er-Jahre schaffte die Klinik ein Ultraschallgerät an. Dieses war eines der ersten Ultraschallgeräte in der damaligen DDR überhaupt.

Jährlich wurden zwischen 1.500 und 1.900 Babys in der kleinen Klinik geboren. Damals gab es in dem Haus 65 Betten, wovon 15 Kinderbetten waren.

Der Caritasverband Magdeburg hatte sich in all den Jahren bemüht, die Einrichtung in katholischer Trägerschaft zu bewahren, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, in der Tradition christlicher Kultur zu leben.

Ein neues Profil für die Klinik

Durch den Geburtenrückgang Anfang der 1990er-Jahre in der Region musste sich die Bosse Klinik in ihrem Profil neu ausrichten. Unter der Leitung von Dr. Nikolaus Särchen eröffnete die psychiatrische Abteilung und Tagesklinik in der Puschkinstraße am 1. November 1994 mit 18 stationären und 20 tagesklinischen Plätzen. Dr. Särchen war bis 2023 ärztlicher Direktor der Klinik Bosse und Chefarzt der Klinik für psychische Erkrankungen.

Am 30. Juni 1996 wurde die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Heubnerstraße geschlossen. Nach Umbauarbeiten wurde am 19. August 1996 die neurologische Abteilung mit 43 Betten in der Heubnerstraße eröffnet. Dr. Jörn Uwe Grünes leitete die Abteilung.

Schon am 14. Oktober 1996 folgte die Einweihung der geriatrischen Abteilung mit zehn tagesklinischen Plätzen. Um alle Abteilungen unter einem Dach zu vereinen, begann 1997 der Klinikneubau am heutigen Standort Hans-Lufft-Straße. Am 12. April 1999 bezog die Klinik ihr neues Domizil in der Hans-Lufft-Straße 5.

Im selben Jahr wechselte sie feierlich ihren Träger und damit auch ihren Namen. Von nun an war die Klinik Bosse Wittenberg ein Krankenhaus der Gesellschaften der Alexianerbrüder. Die Ordensgemeinschaft der Alexianerbrüder ist ein in der ganzen Welt verbreiteter katholischer Krankenpflegeorden mit über 800-jähriger Tradition.

Im April 2002 weihte die Klinik Bosse Wittenberg den zweiten Bauabschnitt in der Hans-Lufft-Straße ein, sodass heute 130 stationäre und 30 tagesklinische Plätze zur Verfügung stehen.

Seit dem 1. Januar 2006 leitet Chefarzt Dr. Philipp Feige die heutige Klinik für Neurologie. 2010, 2013 und 2016 wurde die Parkinsonstation von der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) als Fachklinik für Parkinson und Bewegungsstörungen zertifiziert.

In den vergangenen Jahren baute die Klinik Bosse ihre Angebote weiter aus. Ergänzend zur stationären Therapie im Krankenhaus behandelt sie bis zu 30 Patienten teilstationär in ihrer Tagesklinik. Die Tagesklinik St. Vinzenz befindet sich im Erdgeschoss der Klinik Bosse. Dort ist auch das Domizil der psychiatrischen Institutsambulanz. Diese behandelt Patienten mit besonders schweren Krankheitsverläufen.

Im Februar 2012 eröffnete die Stroke-Unit, eine Schlaganfallstation, in Kooperation mit dem evangelischen Krankenhaus Paul Gerhardt Stift. In der Stroke-Unit kann der akute Schlaganfall optimal behandelt werden. Das regionale Schlaganfallbüro öffnete erstmals im Oktober 2013. Es ist eine Anlaufstelle für Ratsuchende aus dem Landkreis Wittenberg und in einer Kooperation mit der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe entstanden.

Mit der Eröffnung der Adoleszenzpsychiatrie im Frühjahr 2014 beschritt die Klinik Bosse neue Wege. Als eins von wenigen Krankenhäusern deutschlandweit behandelt die Klinik psychisch erkrankte junge Erwachsene mit einem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Therapiekonzept, gemeinsam mit Mitarbeitern der kinder- und jugendpsychiatrischen Tagesklinik der Salus gGmbh.

Im Sommer 2017 eröffnete das neue Therapiezentrum. Der dreigeschossige Komplex schließt sich über die Magistrale nahtlos an den bestehenden Komplex an. Mit der Sporthalle, einem Bewegungsbad und zusätzlichen Therapieräumen hat sich die Fläche für Physiotherapie und Ergotherapie verdoppelt.


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